- Lina -
Ich war einfach zu schwer. Louisa konnte mich nicht mehr halten. Meine schweißnassen Hände glitten aus ihren und ich stürzte in die Tiefe.

Immer schneller wurde mein Fall. Doch es kam mir wie Stunden vor. Alle möglichen Gedanken flitzten durch meinen Kopf: ›Wer kann mir jetzt noch helfen? Bevor ich aufschlage. Werde ich überhaupt landen? In diesem Land ist ja alles möglich. Vielleicht lande ich in Zuckerwatte? Oder im Schnee? In einer anderen Welt? Woanders? Oder in Magma, so heiß wie es hier ist?!?‹
Selbst wenn ich unten ankam, diese Wände waren viel zu steil und scharfkantig, ich könnte niemals hinaufklettern. ›Ich wünschte, ich könnte fliegen...‹

Plötzlich schien die Zeit stillzustehen. Mein Fall verlangsamte sich, bis ich schließlich auf der Stelle schwebte. Dann schien es, als spule jemand den Film der Zeit rückwärts ab. Ich wurde nach oben gerissen. Pfeilschnell zischte ich rückwärts. Ich begann zu schreien, als ich fast an den spitzen Felskanten streifte.
Mit einem gewaltigen Ruck schoss ich oben aus der Schlucht und landete schmerzhaft auf dem Boden daneben. Mir tat alles weh und mein Schädel brummte. Ich blieb erst einmal flach liegen.

»Lina?!?«

»Lina! Wach auf!«, rief meine Schwester. »Ich hatte solche Angst um dich! Aber plötzlich bist du wieder aus dem Schacht herausgeschossen. Was ist da unten passiert? Gibt es hier ein Riesentrampolin?« Unwillkürlich musste ich schmunzeln. »Nein«, murmelte ich mit matter Stimme. »ich habe keine Ahnung, was das war.«
Obwohl ich es eigentlich schon wusste. Es kam nur eines in Frage.

Magie. Es musste Magie gewesen sein. Meine Magie?

Nachdem ich mich ausgeruht hatte, rappelte ich mich auf. Der Flug aus dem Spalt war nicht hoch gewesen und mir tat nichts mehr weh. Deshalb machten wir uns wieder auf den Weg. Zur Teufelshöhle durfte es nicht mehr weit sein.
Langsam wurde es wieder kühler und erste Schneefelder breiteten sich aus. Wir waren inzwischen aus der Schlucht herausgegangen und streiften durch eine hohe Wildwiese. Offenbar war nur die Schlucht warm und schneefrei. Wenn ich nur daran dachte, dass dort unten Magma hätte sein können…
Erste Bäume wuchsen rechts und links des Weges, immer mehr davon waren schneebedeckt. Wir packten unsere Mäntel wieder aus den Rucksäcken.
»Also, was ist da unten wirklich passiert?«, beginnt Louisa. »Na ja, ich bin immer schneller gefallen, plötzlich stehengeblieben und dann nach oben gezischt…« Ich beschloss, ihr auch von meiner Magievermutung zu erzählen. »Und es kann sein, dass ich was---«
Lina war plötzlich stehen geblieben und bedeutete mir, leise zu sein. »Hast du das auch gehört?« Tatsächlich, plötzlich durchdrang ein Heulen den Wald. Gefolgt von lauter werdendem Pfotengetrappel.

Schon wenige Sekunden später brach ein Wolfsrudel aus dem Wald hervor. Aber diese Wölfe hatten schneeweißes und graues Fell. Rot starrten ihre Augen uns an.
»Schneewölfe!!!«, erkannte ich in Panik. »Lauf!!!«

Die Wölfe kamen immer näher. Einer schnappte nach mir und ich konnte ihm gerade noch mit einem Satz entkommen.
Da vorne war ein kleiner Wall, dahinter konnten wir uns vielleicht verstecken.
»Louisa! Hier!« Panisch blickte ich mich um, aber Louisa war verschwunden.
Mit letzter Kraft warf ich mich hinter den Wall. Es stellte sich heraus, dass es ein Abhang war. Ich kullerte lange Zeit nur nach unten. Ich krachte in Sträucher und Ranken streiften mich. Endlich blieb ich liegen. Mein Rucksack war weg, er musste auf dem Weg hängengeblieben sein.
Das Pfotengetrappel wurde leiser und verschwand in der Ferne.
Was war mit Louisa?

Ha… hatten sie die Wölfe… e… erwischt?!?