- Louisa -
Die Wölfe holten immer mehr auf. Ich rannte, so schnell ich konnte, aber ich hatte keine Chance gegen solch schnelle Läufer. Wieder schnappte ein zähnefletschendes Maul nach mir, nur eine Haaresbreite entfernt.
Ich spürte schon, wie sich der nächste Wolf meinen Fuß schnappen würde, da stand plötzlich ein Mann vor mir. Er hatte die Hand erhoben, und auf einmal blieben die Wölfe stehen, drehten ab und verschwanden wieder im Wald.

»Danke!«, brachte ich keuchend hervor. »Wer sind Sie?« »Nenn mich einfach Paul. Komm erst mal mit in mein Haus, da kannst du dich ein wenig ausruhen«, antwortete er und stapfte voraus.
Erst jetzt dachte ich wieder an meine Schwester. »Hast du meine Schwester auch gefunden? Wir wurden getrennt, als wir von den Schneewölfen gejagt wurden.« Paul kratzte sich am Kopf, dann nickte er. »Ich weiß zwar nicht, wo sie ist, aber ich weiß, wie wir sie finden können. Komm!« Ich schöpfte wieder Hoffnung. Vielleicht war Lina genau wie ich den Wölfen entkommen…

Paul führte mich zu einem kleinen Häuschen auf einem Hügel. Dort erwartete uns ein Junge. »Das ist Leo, mein Sohn«, stellte Paul ihn vor. Schüchtern blickte Leo mich an. »Und du bist?« »Louisa.«
Paul machte mir einen Kakao, dann brachte er mich zu einer Tür. »Komm mal mit, da unten habe ich vielleicht etwas, um deine Schwester zu finden. Leo, du bleibst wie immer oben!«
Er führte mich eine Treppe hinunter, tief in den Hügel hinein, in einen Gang. Er schob mich durch eine Tür in eine Art Labor. Alles war voll mit Apparaten, Fläschchen und Pulvern.

»Du kannst Magie wirken, das spüre ich. Ich auch, aber nicht viel und oft. Deshalb habe ich mich auf Tinkturen und Tränke spezialisiert. So, jetzt machen wir einen Trank zum Finden von Personen.«
Ich freute mich. Bald schon würde ich meine Schwester wiedersehen. Fasziniert beobachtete ich, wie Paul verschiedenste Zutaten aus Flaschen und Dosen in einen Behälter füllte. Dabei schaute er immer wieder in ein kleines Buch auf dem Arbeitstisch. Als ich einen Blick darauf werfen wollte, klappte er es schnell zu. »Geheim, ein Familienerbe…«
Als er alle Zutaten beieinanderhatte, gab er Wasser dazu, mixte das Ganze und füllte die Flüssigkeit in einen Trichter. Der Trichter steckte in einer komplizierten Maschine in einer Ecke des Raumes. Zahlreiche Rohre, Behälter, Kabel, Messanzeigen und Hebel waren zu einer riesigen Konstruktion verschraubt.

Als er fertig war, bat er mich, meine Hände auf zwei Platten zu legen. »Jetzt sollst du deine Magie heraufbeschwören, sie geht dann auf den Trank über und er wird wirksam. Es wird wahrscheinlich kurz unangenehm sein, nur als Vorwarnung.« Ich nickte und dachte an die Magie. Als das Knistern begann, legte Paul einen Schalter um.
Ich fühlte, wie die Magie aus meinen Händen angesaugt wurde. Die Maschine sprang brummend an. Flüssigkeiten brodelten, wanderten farbenfroh durch Schläuche.
Plötzlich leuchteten überall an der Maschine kleine Lämpchen auf. Tiefrot blinkten sie mir in die Augen. Der Sog in meinen Händen verstärkte sich. Die Maschine zischte und brummte. Panik stieg in mir auf. Der Sog verstärkte sich immer mehr, ich fühlte mich, als würde mein Innerstes nach außen gekehrt. Instinktiv wollte ich die Hände wegziehen, doch es ging nicht.
Mit Entsetzen bemerkte ich, dass sich silberne Schnallen um meine Handgelenke gelegt hatten.
»Hilfe!!!«, schrie ich. Dampf waberte durch den ganzen Raum. Wo war Paul?!?

Blitze zuckten vor meinen Augen, der Sog war jetzt unerträglich, fast schon schmerzhaft. Die Maschine piepste, mir war schwindelig. Ich konnte nichts mehr sehen. Meine Knie sackten zusammen.
Ich spürte, wie mich jemand packte und wegschleifte.

Das letzte, was ich hörte, bevor ich in Ohnmacht fiel, waren das Klicken eines Schlüssels und ein fieses Lachen.