- Louisa -
Aus allen Richtungen zischten Pfeilspitzen auf uns zu. Sollte uns eine davon treffen, wäre unsere Reise hier zu Ende.
Schon nach wenigen Sekunden fühlte ich mich wie im Hindernisparcours. Mal musste man sich ducken, dann wieder in die Luft springen. Hier musste man nach rechts, dort nach vorne, woanders nach hinten. Lina und Larissa schien es ziemlich ähnlich zu ergehen.
Alle drei sprangen wir hin und her. Doch die Pfeilsalve wollte nicht enden. Nein, im Gegenteil, es wurden immer mehr und mehr Pfeile.
Aus dem Augenwinkel sah ich einen Pfeil auf meine Gefährten zurasen. »Larissa, pass auf!«, schrie ich. Gerade noch rechtzeitig sprang sie aus dem Weg, doch Lina war nicht schnell genug. Der Pfeil raste unaufhaltsam auf meine Schwester zu…

Plötzlich fühlte sich alles an wie in Zeitlupe. Oder verlangsamten sich die Pfeile tatsächlich?!?
Lina trat in Seelenruhe von dem Pfeil weg. Ich hörte, wie sie etwas murmelte: »…auszuweichen…« »Was ist passiert?«, fragte ich sie. »Ich habe mir gedacht: ›Ich wünschte, wir hätten genug Zeit, den Pfeilen auszuweichen‹, und es hat funktioniert.«
Mit der langsam verrinnenden Zeit war es natürlich ein Leichtes, den Pfeilen auszuweichen und weiter in den Gang hineinzugehen. »Wow, du kannst sogar die Zeit beeinflussen?«, staunte Larissa. »Deine Magie ist wahrscheinlich stärker als die eines jeden anderen hier im Winterland!«
»Nun ja, ich wusste selbst nicht, dass ich das kann…«, meinte Lina nüchtern, aber ich wusste, dass sie insgeheim mächtig stolz auf sich war.

Es gelang uns auch mühelos, zwei schweren Fallgittern zu entkommen, die rasselnd von der Decke fielen. Leider hatte keine von uns eine Ahnung, wie lange die Zeitlupe noch andauern würde, also beeilten wir uns besser.
Nach einem langen, dunklen Gang kamen wir in einen großen Felsensaal. Er wurde von zahlreichen Kerzen erhellt, die in Nischen rundherum standen. Am anderen Ende des Saales befand sich eine eisenbeschlagene Tür. Dort mussten wir hin. Doch das war einfacher gesagt als getan, denn sobald man auf eine Bodenplatte trat, senkte sie sich hinab, nur ein paar wenige gaben nicht nach.
Wir hatten schon ein Viertel der Strecke zurückgelegt, bisher ohne Probleme. »Was wohl mit den Platten passiert?«, spekulierte ich. Larissa antwortete: »Ehrlich gesagt möchte ich das gar nicht so genau wissen…« Die Platten am Anfang des Saales verschwanden langsam in einer dichten, grauen Nebelsuppe.
Zu dritt gingen wir weiter von Platte zu Platte, um zu sehen, wie wir ans andere Ende des Saales kommen würden. Aber auf den letzten zehn Metern passierte es…

»Oh nein!«, rief ich, als ich bemerkte, dass die Platten immer schneller werdend versanken. »LAUFT!!!«
Wir rannten über die letzten versinkenden Plattformen. Linas Zeitzauber hörte langsam auf zu wirken.
Larissa und Lina hatten es schon auf die andere Seite geschafft, aber ich hatte noch ein paar Platten vor mir. Gerade noch rechtzeitig konnte ich mich an Linas Arm festklammern, bevor meine Platte rasend schnell im Nichts versank.

Endlich hatten wir es geschafft! Zu dritt standen wir am anderen Ende des Nebelmeers. Die Tür schwang wie von Zauberhand auf. Dahinter befand sich ein schmaler Raum mit einem Podest. Darauf befand sich, hell erleuchtet, eine Schatulle. Ehrfürchtig klappten wir sie auf. »Gleich sehen wir das Amulett!«, sagte ich ehrfürchtig.

Doch stattdessen blickten wir nur in gähnende Leere.